Unser Verein als "Homebase" für unsere ukrainische Spitzenspielerin Ganna Poznikhirenko

15.04.2022


Das Interview führten vor wenigen Tagen Kirsten Mittelsteiner und Dr. Joachim Kuhn mit Ganna Poznikhirenko:

Seit 24. Februar tobt der Krieg in der Ukraine. Er überraschte Ganna Poznihirenko aus Kiew, letztjährige Nummer eins und diesjährige Nummer zwei im Damenteam des TC Weiß-Blau Würzburg in der Regionalliga Süd-Ost, bei einem Turnier in Kasachstan. Sie konnte nicht in ihre Heimatstadt Kiew zurückkehren. Ganna, ihre Teamkollegin Marianna Zakarlyuk und der ukrainische Spieler Vladyslav Orlov im Team der 2. Bundesliga wurden nach Würzburg eingeladen. Ganna ist seitdem in der Stadt und wohnte zunächst bei Aline Staudt und Christian Kosolowski-Staudt. Sie wohnt nun mit ihrer Schwester bei der Familie Kuhn. Wir haben ihr einige Fragen zu ihrer persönlichen Situation gestellt.

Frage: Warst du bei Ausbruch des Krieges vor Ort oder wo hast du davon erfahren?

Ganna: Es gab in der Ukraine seit Ende 2021 viele Gerüchte, dass es den großen Krieg geben wird.

Einen lokalen Krieg im Osten zwischen Ukraine und Russland gibt es ja schon seit acht Jahren. Ich habe nicht daran geglaubt und habe Mitte Februar ein Turnier in Kasachstan gespielt. Die schlimmsten Befürchtungen der Ukrainer zu dieser Zeit waren die Worte: „Der Krieg hat angefangen!“ Als meine Mutter mir am 24. Februar eine WhatsApp mit genau diesen Worten sendete, war mein bisheriges Leben beendet.

Wann hast du dich zur Flucht entschlossen?

Ganna: Vier Tage lang fühlte ich, dass mein Leben abrupt gestoppt wurde. Ich habe mein Zuhause verloren, das Zusammensein mit meiner Familie, einfach alles... Es machte keinen Sinn, in die Ukraine zurückzukehren, so bin ich dem Angebot von Weiß-Blau gefolgt und über Polen nach Würzburg gekommen.

Deine Familie ist noch vor Ort. Wie geht es ihr, denkt sie auch an Flucht?

Ganna: Meine Familie ist teilweise immer noch in Kiew, unserer Heimatstadt. Meine Eltern sind etwas westlich von Kiew. Meine Schwester ist vor kurzem nach Würzburg nachgekommen. Meine 88-jährige Oma will unbedingt in Kiew bleiben. Sie wird von vielen Freiwilligen versorgt.

Wie beeinflusst der Krieg dein Leben, deine sportliche Karriere?

Ganna: In dieser Situation denkt man viel darüber nach, was im Leben wirklich wichtig ist. Ich liebe Tennis und Tennis ist mein Beruf. Ich brauche nun aber ein bisschen Zeit, um meine Akkus wieder aufzuladen. Wenn ich auf dem Court stehe, kämpfe ich ab jetzt nicht nur für mich, sondern auch für die Ukraine. Das macht mich stolz.

Was bedeutet es dir, in Würzburg zu sein?

Ganna: Würzburg ist nun mein zweites Zuhause. Ich bin wirklich dankbar, dass ich hier so gut aufgenommen wurde. Ich fühle mich sehr wohl.

Wie möchtest du die Zeit in Würzburg nutzen? Willst du die deutsche Sprache lernen?

Ganna: Ich möchte hier mein Leben wieder zumindest ein bisschen zurückbekommen. Ich freue mich, im Club zu sein und mit all den netten Spielerinnen und Spielern täglich zu spielen. Ich verstehe inzwischen einige Worte Deutsch. Einen Kurs mache ich noch nicht, denn ich hoffe, bald wieder zurück in die Ukraine gehen zu können.

Du hast die nächsten Turniere geplant. Wie gut kannst du dich körperlich und mental darauf vorbereiten?

Ganna: Ich hatte im Winter eine gute Vorbereitung und nun habe ich ein gutes Training in Würzburg. Ich hatte im Winter auch einige Turniere sehr gut gespielt und teilweise gewonnen. Ich fühle mich nun in Sicherheit, und das alleine hilft mir viel in der Vorbereitung. Der Moment, in dem ich mich für die ITF-Turniere angemeldet habe, bedeutet mir sehr viel, denn ab diesem Moment fühlte ich mich wieder lebendig und bereit, diese Turniere zu spielen. Wir werden sehen, wie erfolgreich ich sein werde.

Wie sieht dein sportliches Ziel für diese Jahr unter diesen Umständen aus? Hat es sich verändert?

Ganna: Ja, mein ganzes Leben hat sich verändert. Ich hatte das Ziel, mich für Grand Slams zu qualifizieren. Nun möchte ich erst einmal mein Niveau halten und zu einer gewissen Routine zurückfinden. Dann möchte ich aber definitiv wieder die Grand Slam Qualifikation in Angriff nehmen.

Was liegt dir noch am Herzen?

Ganna: Ich möchte allen danken, die mir und anderen Leuten in dieser schwierigen Situation helfen. Ich fühle eine sehr große Menschlichkeit überall und großartige Unterstützung für die Ukraine. Das hilft mir und anderen Ukrainern, diese Situation zu überstehen. Ich bin sehr dankbar für die Ukrainische Armee, die für die Demokratie und für die Freiheit kämpft und sehr stolz auf die ukrainische Nation.